Horst Wolf - Verhaltensorientierte Prävention
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Schockvideos!

Wirken sie bei jungen Erwachsenen?

Am Anfang hießen sie „Schockvideos“, dann „Konfrontierende Stilmittel“ und jetzt „Spots zur Verkehrsunfallprävention“. Um Fehlverhalten von Fahrzeugführern in Zukunft wirksamer vorbeugen zu können, setzen die Verkehrssicherheitsberater der Polizei NRW seit Mitte des Jahres 2006 auf solche Spots. Dabei werden in kurzen Filmbeiträgen häufige Fehlverhaltensweisen im Straßenverkehr dargestellt. Die Beiträge sollen mit teils drastischen Darstellungen beim Betrachter emotionale Betroffenheit auslösen und ihn veranlassen, sein eigenes Verhalten zu überdenken. Den Zielgruppen soll und muss deutlich gemacht werden, dass die Polizei das Ziel verfolgt, Unfälle und insbesondere deren schwerwiegenden Folgen zu verhindern. Ferner beinhaltet die betreffende DVD Kurzfilme über Crashtests und Darstellungen, mit denen technische und physikalische Abläufe verdeutlicht bzw. verständlich gemacht werden sollen, sowie Mitschnitte aus alltäglichen Verkehrssituationen. In den Spots selbst werden die Themenfelder „Geschwindigkeit“, „Alkohol“, „Drogen“, „Gurt“, „Imponiergehabe“, „Aggressivität“ und „Ablenkung“ behandelt. Fachübergreifend werden die Bereiche Prävention, Repression und Öffentlichkeitsarbeit abgedeckt. In diesem Artikel wird hauptsächlich auf die Zielgruppe der jungen Erwachsenen eingegangen.

Verkehrsunfälle
Die Hauptrisikogruppe im Straßenverkehr ist nach wie vor die Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen, in der es besonders viele Fahranfänger gibt. 19 Prozent aller Getöteten und jeder fünfte Verletzte im Straßenverkehr gehörten zu dieser Altersgruppe, obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung nur 8,3 Prozent beträgt. Von den im Straßenverkehr verunglückten jungen Erwachsenen saßen die meisten (72 Prozent) in einem Personenkraftwagen. Am zweithäufigsten verunglückten Angehörige dieser Altersgruppe mit dem Motorrad (6,8 Prozent)

Junge Erwachsene
Die jungen Erwachsenen zeichnen sich im Straßenverkehr sehr häufig durch fehlende Routine, mangelnde soziale Verantwortung und erhöhte Risikobereitschaft aus. All diese Eigenschaften führen dazu, dass diese Altersgruppe in Bezug auf die Unfallwahrscheinlichkeit an der Spitze aller Risikogruppen liegt. Die jungen Menschen ignorieren Unfallgefahren, verdrängen Probleme der Verkehrsteilnahme und suchen, sollte sich tatsächlich ein Verkehrsunfall ereignen, aufgrund mangelnder Einsicht sehr oft die Schuld bei anderen.

Was sind das für Spots?
Hierbei handelt es sich um kurze Videosequenzen, die beim Betrachter einen so genannten „heilsamen Schock“ auslösen sollen. Sie sind zu großen Teilen aus internationalen Spots zusammengesetzt und zeigen, welche Folgen ein bestimmtes Fehlverhalten im Straßenverkehr haben kann. Zu diesem Zweck wurden konkrete Verhaltensweisen und die daraus resultierenden Unfälle filmisch so realistisch wie möglich in Szene gesetzt. Die Spots zeigen, untermalt durch stimmungsangepasste Musik, alltägliche Verkehrssituationen. Die einzelnen Sequenzen sind von unterschiedlicher Intensität. Sie entsprechen in der Art ihrer Darstellung der heutigen Medienwelt junger Leute.

Wo und wer zeigt die Spots?
Beabsichtigt ist der Einsatz der Schockvideos in Schulen und an Kontrollstellen, der im Folgenden näher betrachtet werden soll. Vom Konzept her ist vorgesehen, dass die Spots hauptsächlich Personen gezeigt werden, die unmittelbar vorher auf Grund eines Fehlverhaltens im Straßenverkehr durch die Polizei angehalten worden sind. Der gezeigte Kurzfilm muss einen konkreten Bezug zu dem soeben begangenen Verstoß aufweisen und dem Betroffenen somit vor Augen führen, zu welchen Folgen sein Agieren hätte führen können. So soll dieser die Strafe nicht nur nach dem Motto „Pech gehabt“ hinnehmen, sondern vielmehr einsehen, wie gefährlich (sein) falsches Verhalten im Straßenverkehr sein kann. Die Spots dürfen keinesfalls unkommentiert präsentiert werden, ebenso wie eine bloße Darbietung ohne pädagogisch-didaktische Aufarbeitung in jeden Fall vermieden werden muss.

In der Schule
In Schulen sind die Inhalte der Präsentation zuvor mit den Lehrern und der Schulleitung zu besprechen. Es ist selbstverständlich und zwingend erforderlich, dass das Lehrpersonal während der Unterweisung von Jugendlichen durch die Polizei anwesend ist, damit die Inhalte schulintern entsprechend nachbereitet und aufgearbeitet werden können. Schwerpunkt sind hier die Sequenzen über den Konsum von Alkohol und Drogen, denn diese dokumentieren mögliche Folgen des Missbrauchs, auch für unbeteiligte Dritte. Die Auswahl sollte sowohl vor dem inhaltlich/thematischen Hintergrund wie auch in Bezug auf die Zusammensetzung und Verfassung der Zielgruppe erfolgen. Auf die Präsentation und Erklärung von Verkehrsunfall-Statistiken kann bei solchen Veranstaltungen getrost verzichtet werden. Es reicht hier die Aussage, dass Unfälle sich nicht ereignen, sondern verursacht werden. Nach jeder Veranstaltung sollte eine Rückmeldung der Teilnehmer erfolgen. Hier können dann die Wünsche und Ideen der jungen Erwachsenen in die weiteren Veranstaltungen mit einfließen.

Das pädagogische Konzept
Das nachfolgende Konzept soll beispielhaft zeigen, wie die Spots auch in die Inhalte der schulischen Verkehrserziehung eingebunden und bearbeitet werden können:

Ziel

Inhalt/Thema

Medien

Methode

Hinführung zum Thema

z.B. Gefahrenlehre, Aggression, Geschwindigkeit

Tafel/Flip

Impulsvortrag Lehrgespräch

Erfahrungsaustausch

Frage: Welche gefährliche Situation haben Sie schon einmal als Fahrer/-in Beifahrer/-in erlebt?

Tafel

Abfrage

Diskussion

Problembewusstmachung

Präsentation des Clips

DVD

Demonstration

Emotionale Betroffenheit

Teilnehmer verarbeiten das Gesehene


Pause aushalten

Ventilfunktion

Teilnehmer äußern sich


Moderation

Transferphase Kognitive Dissonanz erzeugen

Frage: Was ist mit Ihrem Traum vom Fahren/Leben, wenn Ihnen so etwas passiert?

Tafel/Flip

Moderierte Diskussion

Auseinandersetzung mit dem Gesehenen, Transfer auf die Folgen

Frage: Was ist mit den Eltern, Geschwistern, Freunden, Großeltern und den Rechtsfolgen?

Tafel/Flip

Moderierte Diskussion

Teilnehmer finden Lösungen und kennen Handlungsalternativen

Frage: Wie können Sie diese Folgen vermeiden?

Tafel/Flip

Moderierte Diskussion Alternativen sammeln

Aufheben der Betroffenheit



Moderation

Teilnehmer sind sensibel und aufmerksam für das Thema

Das zum Spot passende Thema wird vom „Pädagogen“ oder, vom Fahrlehrer abgehandelt

Powerpoint

Lehrgespräch

An der Kontrollstelle
Der Einsatz der Spots unmittelbar nach dem Anhalten sollte nie ohne begleitendes Gespräch und nicht ohne eine methodisch-didaktische Aufarbeitung erfolgen. Auf Verkehrssicherheitsberater als Fachleute sollte bei diesen Aktionen nicht verzichtet werden.

Die technischen Voraussetzungen an einer Kontrollstelle in der Verkehrswirklichkeit sind ein Ersatzakku für das Notebook oder eine 220 Volt Stromversorgung und die Möglichkeit, das Fahrzeuginnere abzudunkeln.

Hinführungsphase
Zunächst soll die Person, die im Straßenverkehr einen Verstoß begangen hat, im Rahmen der Kontrolle auf das spezifische Fehlverhalten aufmerksam gemacht werden. Anschließend soll ihr nahe gelegt werden, sich einen der Spots anzusehen. Grundsätzlich muss dies jedoch auf freiwilliger Basis geschehen. Dazu bedarf es zunächst einer kurzen Vorbereitung durch den Polizeibeamten auf das, was den Betrachter erwartet. Während der Präsentation sollten Kommentierungen jedoch möglichst unterbleiben, damit es nicht zur Ablenkung oder Beeinflussung bei der Informationsaufnahme kommt.

Verarbeitungsphase
Während der Vorführung soll der Betrachter nicht gestört werden, damit er sich den Spot ohne jegliche ablenkende Unterbrechung oder Wertung der Beamten ansehen kann. Nach dem Betrachten des Kurzfilmes soll sich die Person dann zum eben Gesehenen äußern können, wobei es wünschenswert ist, dies im Rahmen eines zwanglosen Gespräches  geschehen zu lassen. In dessen Verlauf sollte den Verkehrsteilnehmern nach der Vorführung des Spots auch die Gelegenheit gegeben werden, sich über ihre Empfindungen beim Betrachten des oder der Filme zu äußern und mögliche Rückschlüsse auf ihr eigenes Verhalten zu erläutern.

Erkenntnisphase
Anschließend soll dem polizeilichen Gegenüber vor Augen geführt werden, dass der begangene Verstoß bzw. das gezeigte Fehlverhalten für ihn, aber auch für andere Beteiligte schwerwiegende Folgen haben kann.

Nachbereitungsphase
Dem Betrachter der Spots muss verdeutlicht werden, welches Verhalten in der konkret aufgefallenen Situation das richtige gewesen wäre und welche Handlungsalternativen bestanden hätten. Dieser Teil ist von grundsätzlicher Bedeutung. Durch Informationsvermittlung soll es den Verkehrsteilnehmern in der Nachbereitungsphase ermöglicht werden, neue, korrekte Handlungsmuster für ihr eigenes Verhalten zu entwickeln. Nur wer auch gefühlsmäßig betroffen ist, wird sich veranlasst sehen, sein eigenes Fehlverhalten abzustellen.

Auf keinen Fall darf eine schockierende Videosequenz unkommentiert bleiben. Vor allem bei jungen Menschen sind eine begleitende Ansprache und eine intensive Nachbereitung ungemein wichtig! Gerade der Umgang mit Emotionen bedarf einer guten und kompetenten methodischen und sensiblen Vorgehensweise.

Wie fühlen und handeln die jungen Erwachsenen? 
Viele kennen diese Videos aus dem Internet, z. B. von der Plattform „You Tube“. So schockierend sind nach deren Aussage die Filme wirklich nicht. Durch Fernsehbilder oder von PC-Spielen ist man einiges gewöhnt. Die Aussagen „So etwas Dummes kann mir nicht passieren“ oder „Das trifft mich schon nicht“ hört man sehr oft. Das Leben wird positiv gesehen, und die Risiken werden falsch eingeschätzt. Technische Mängel am Fahrzeug oder die schlechten Straßenverhältnisse, werden viel häufiger als Hauptunfallursache angegeben. Werden die Spots gezeigt, dann müssen auf jeden Fall auch Lösungen angeboten werden.

„O-Töne“ von VerkehrsteilnehmernDie hier aufgeführten Zitate stammen nicht nur von jungen Erwachsenen, sondern von allen Verkehrsteilnehmern, gleich welchen Alters. Nur ein kleiner Teil der nach einem Verkehrsverstoß angehaltenen Verkehrsteilnehmer war bereit, sich einen oder mehrere Spots anzusehen. Die Aussagen der Verkehrsteilnehmer die sich die Spots nicht ansehen wollten waren:

- „Vielen Dank, aber 30 Euro reichen mir.“

- „Nein danke, kein Interesse.“

- „Machen Sie bitte schnell, ich habe Feierabend.“

- „Ich glaube nicht, dass mir das etwas bringt.“

- „Ich habe keine Zeit, ich muss zur Arbeit.“

- „Ich kenne die Videos, habe sie schon gesehen.“

- „Geht leider nicht, habe ein Kind im Auto.“

- „Nicht nötig, ich habe es eilig.“

- „Nein danke, ich fahre normal nicht zu schnell.“

- „Lassen Sie mal, ich habe noch einen Termin.“

- „So schreckliche Bilder will ich nicht sehen.“

- „Ich schnalle mich sonst immer an.“

- „Ich weiß, dass der Gurt mich schützt, aber ich habe es vergessen.“

Die Verkehrsteilnehmer die sich die Spots angesehen haben, äußerten sich wie folgt:

- „Kein Problem, ich habe es wirklich nur vergessen, ansonsten schnalle ich mich immer an.“

- „Ich werde darüber nachdenken.“

- „Schrecklich!“

- „Oh, gibt es die Sachen im Internet?“

Fazit:
- Die von mir geführten Gespräche mit Ersthelfern, Notfallseelsorgern und der Zielgruppe selbst ergaben nur eine verhalten positive Meinung zu den Spots.

- Die Videos können sicherlich noch bei vielen anderen Zielgruppen eingesetzt werden, wie z. B. bei Lkw-Fahrern, Motorradfahrern, Radfahrern, Senioren usw.!

- Ob diese drastischen Darstellungen den Menschen im Gedächtnis bleiben, werden Wirksamkeitsuntersuchungen zeigen.

- Dass die Spots kurzfristig aufrütteln und die Bereitschaft fördern, sich vorsichtiger zu verhalten, haben allerdings schon einige Untersuchungen ergeben. Wie lange dieser Effekt beim Einzelnen anhält, kann jedoch noch nicht gesagt werden.

- Anschaulicher kann man derartige Informationen wohl nicht an die Zielgruppen transportieren.

- Die Spots decken die wichtigen Themenfelder "Geschwindigkeit", "Alkohol und Drogen", "Gurt" und "Ablenkung" ausreichend ab.

- Das Thema Alkohol und Drogen kann mit einem betroffenen Verkehrsteilnehmer an einer Kontrollstelle oder vor einer anstehenden Blutprobe wohl nicht besprochen werden.

- Die Sequenzen sind leider teilweise in sehr schlechter Bild- und Tonqualität.

- Die Polizei wird ihre Präventionsarbeit trotz der erfreulichen Verkehrsunfallentwicklung in den letzten Jahren auch weiterhin konsequent fortsetzen.

- Ein großes Problem ergibt sich aus dem Bekanntheitsgrad vieler der durch die Polizei gezeigten Videos, denn bereits kurz nach deren Einführung erschienen diese im Internet, z .B. auf der Plattform YouTube. Auch aus Ländern wie England, Australien oder Kanada stammende Spots waren zuvor bereits im Internet anzusehen. Ohne jegliche sinnvolle Begleitung besitzen sie jedoch keinen erzieherischen Wert und stumpfen die Betrachter gegenüber späteren polizeilichen Maßnahmen eher ab.

- Bei all diesen Aktionen ist zu bedenken: Geschockte Menschen lernen nicht, sie müssen das Gesehene erst verarbeiten; man muss mit ihnen sprechen und sie aus dem Schockzustand wieder herausholen.

- Wer sich die Spots angesehen hat, beginnt zumindest über sein eigenes Verhalten nachzudenken. 

 

Horst Wolf | info@wolf-horst.de