Crash Kurs NRW – Was ist das?
Als die Aktion „Crash Kurs“ 2009 in
Nordrhein-Westfalen vorgestellt wurde, wurde sie schon damals als einzigartig und
bewegend bezeichnet. Die ursprüngliche Idee hatte
allerdings nicht die nordrhein-westfälische Polizei, sondern sie geht auf eine
Idee, oder besser eine Initiative der britischen Kollegen zurück, genauer
gesagt, auf die Polizei in Staffordshire, einer Grafschaft mit etwa einer
Million Einwohnern und einer Fläche von 2.700 km². Die Mitwirkenden in dem dort
„Crash Course“ genannten Projekt waren Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste,
Jugendhilfe, Opferschutz und Gerichtsmedizin. Als Zielgruppen ausgewählt wurden
Schülerinnen und Schüler der Klassen zehn und elf, aber auch Berufskraftfahrer.
Im
Jahr 2004 kam es in der genannten Grafschaft zu 464 Verkehrsunfällen mit Personenschäden
(Schwerverletzen und Toten). An 40 Prozent dieser Verkehrsunfälle waren „Junge
Fahrer“ im Alter von 16 bis 25 Jahren beteiligt. Nach flächendeckender
Durchführung der „Crash Course“-Veranstaltungen
während der Jahre 2006 bis 2008 in allen Abschlussklassen der dortigen High
Schools, sank die Anzahl der Verkehrsunfälle mit tödlich Verletzten um ca. 50
Prozent. Im gesamten restlichen Umfeld der Grafschaft gab es keine entsprechend
positive Entwicklung, sodass ein Rückschluss auf eine Verbindung zwischen
Aktion und festgestellten Zahlen gezogen werden konnte.
Aufgrund dieser Tatsache
wurde das Projekt auch in Nordrhein-Westfalen eingeführt.
Im
Folgenden sollen wichtige Aspekte im Zusammenhang mit Sinne, Organisation und
Durchführung dieser Aktion aufgezeigt werden.
Wer organisiert „Crash
Kurs“?
Alle Behörden in NRW planen und führen seit 2012
Crash Kurs-Veranstaltungen durch, also auch die Polizei in Duisburg. Da es sich
um ein (Verkehrs-)Präventionsprojekt handelt, ist es zweckmäßigerweise in der Direktion Verkehr
angesiedelt und die Verkehrssicherheits-beraterinnen und Verkehrssicherheitsberater
sind für die Umsetzung verantwortlich. Aufgrund möglicherweise vorliegender
regionaler wie organisatorischer Unterschiede in anderen Standorten, ist es –
bedingt durch den modularen Aufbau des Projektes – selbstverständlich möglich,
Bausteine bei Bedarf hinzuzufügen oder nicht einzusetzen.
Vorbereitung
Schon
bei der Vorbereitung wird ziemlich schnell klar, dass beim Crash Kurs die Aufstellung
des Teams und sowie die Betreuung die wichtigsten Faktoren für das Gelingen
sind. Immerhin besteht die Gruppe, ebenso wie in Großbritannien, aus
Angehörigen der verschiedensten Disziplinen, also Polizeibeamten, Feuerwehrleuten,
Rettungsassistenten, Notärzten, Notfallseelsorgern sowie aus Unfallopfern und deren
Angehörigen. Gerade bei denjenigen, die keine Polizisten sind, ist eine
Betreuung/Kontaktpflege besonders wichtig.
Verkehrsunfälle
Verkehrsunfälle
mit jungen Erwachsenen dürfen in NRW nicht als örtliches Problem gesehen
werden, sondern müssen als ein landesweites Phänomen gesehen werden, und demzufolge
wird „Crash Kurs NRW“ auch ziemlich flächendeckend von den Behörden
durchgeführt. Aus der Presseinformation des MIK vom 27.02.2012 werden die Zahlen
und Fakten für Nordrhein-Westfalen genannt:
„Junge
Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren sind überproportional häufig an schweren
Unfällen beteiligt. Bei einem Bevölkerungsanteil von acht Prozent verursachen
sie 18 Prozent der schweren Unfälle und sogar 21 Prozent aller Pkw-Unfälle. 18
Prozent der im Straßenverkehr getöteten sind junge Erwachsene.“
Oberstes Ziel: Menschen retten
Ziel der Teammitglieder ist
es, Leben im Straßenverkehr zu schützen und zu retten wollen, und deshalb
überbringen sie diese Botschaften:
- Jedes Leben zählt!
- Verkehrsunfälle zerstören Leben!
- Verkehrsunfälle sind vermeidbar!
- Verkehrsunfälle werden verursacht!
Die Tatsache, dass in NRW
die Politik, hier das Ministerium für Inneres und Kommunales (MIK) das Projekt mit voller Überzeugung
unterstützt, ist für die Akteure und Organisatoren eine förderliche
Arbeitsgrundlage und bringt zusätzlich einen besonderen Motivationsschub.
Mit dem Projekt sollen demnach Unfälle mit jungen
Erwachsenen verhindert oder die Unfallfolgen gemildert werden, und das geht
nur, wenn die Zielpersonen ihre Einstellungen und das Verhalten im
Straßenverkehr selbstkritisch überprüfen. Als Fahrzeugführer sollen sie
Fehlverhalten vermeiden, und als Mitfahrer sollen sie bei einem Fehlverhalten
des Fahrers intervenieren. Verkehrsunfälle geschehen nicht „von alleine“,
sondern sie werden verursacht.
Wie will „Crash Kurs NRW“
dieses Ziel erreichen?
Vorweg
gesagt: Schüler, die schon einen Unfall mit Verletzungsfolgen in der Familie
erlebt haben, gehören nicht zur Zielgruppe! Sie sollen durch die Lehrer im
Vorfeld befragt und von „Crash Kurs NRW“ freigestellt werden.
Wichtig
ist, dass flächendeckend, also über die gesamte Schullandschaft, ein ganzer
Jahrgang erreicht wird, und das können demnach nur die Schülerinnen und Schüler
der zehnten Klasse sein. Dabei werden alle Schüler aus Hauptschule, Realschule,
Gesamtschule und dem Gymnasium erreicht. Diese 16- bis 17-jährigen Schüler sind
bald Autofahrer, sind aber auf jeden Fall schon Mitfahrer und somit für das
Projekt genauso wichtig wie die „Lenker“ der Fahrzeuge. Die oft gestellte
Frage: „Sind diese Schüler nicht zu jung für diese Veranstaltung?“ kann mit
einem klaren „nein“ beantwortet werden. Die Radfahrausbildung bieten Polizei
und Schule auch nicht erst in der fünften oder sechsten Klasse an, wenn die
Kinder die weiterführenden Schulen schon ein oder zwei Jahre besuchen und den
Schulweg mit dem Fahrrad tagtäglich zurücklegen.
Die Polizei in NRW versucht mit der Kampagne „Crash
Kurs NRW – Realität erfahren. Echt hart.“, Jugendliche der zehnten und elften
Klasse durch Vermittlung von realen Sachverhalten über die Gefahren von zu
schnellem Fahren aufzuklären. Bei den Veranstaltungen in Schulen berichten
Polizisten, Feuerwehrleute, Notfallseelsorger, Unfallopfer, Notärzte und andere
Angehörige von ihren Erlebnissen. Den Jugendlichen wird auf eine sehr ernste
und emotionale Art und Weise aufgezeigt, dass die Unfälle meist durch Fehler
des Fahrers entstehen. Ihnen wird die Verantwortung, die jeder im
Straßenverkehr zu tragen hat, deutlich gemacht. Nicht nur durch das Verhalten
des Fahrers, sondern auch durch das der anderen Mitfahrer können Lebensträume
von jetzt auf gleich zerplatzen. Den Jugendlichen wird vermittelt, dass das
Leben viel zu wertvoll ist, als dass man es durch eine riskante Fahrweise aufs
Spiel setzten sollte.
Das Bühnenprogramm
Das
Bühnenprogramm von „Crash Kurs NRW“ wird mit emotionalen Bildern und
eindringlicher Musik untermalt und spricht die Jugendlichen direkt an. Zum Teil
werden auch sogenannte Schockvideos genutzt, um die Gefahren besonders
plastisch darzustellen. Schockvideos sind Kurzvideos, in denen
Unfallsituationen nachgestellt werden. Mit derartigen Videos wird der Teil der
Fahrt dargestellt, der sich vor bzw. bis zum Unfall selbst abgespielt hat. Sie
zeigen das komplette Ausmaß der zum Teil nur kleinen Fehler, die dabei gemacht
wurden.
Zunächst kommt es weniger auf drastische Bilder an,
diese wären möglicherweise sogar kontraproduktiv. Tatsächlich wirken die mit
den Erlebnissen transportierten und von den Teilnehmern nachempfundenen
Emotionen, sind also die Bilder, die in den Köpfen entstehen, am intensivsten. Das
Publikum spürt, dass es sich bei den Geschichten/Erlebnissen der Akteure
keineswegs um Fiktion, sondern Realität handelt. Die Reaktion der Zielgruppe
ist immer gleich, und nach kurzer Zeit ist die Aufmerksamkeit sowie die
Betroffenheit geradezu spürbar, und man scheint im Veranstaltungsraum eine
Stecknadel fallen hören zu können.
„Crash Kurs NRW“ als Marke
Der Slogan „Crash Kurs NRW“ ist der offizielle Markenname und, die
Aussage „Realität erfahren“, beinhaltet einen sachlichen Kern, der den
Grundnutzen der Marke auf den Punkt bringt. Die weitere Aussage „Echt hart“,
ist ein emotionaler Zusatz in der Sprache der jungen Zielgruppe. Der Begriff „Crash
Kurs NRW“ soll sich in Nordrhein-Westfalen als eine Marke mit
Wiedererkennungswert etablieren.
Als
Markenzeichen dient das offizielle Logo „Crash Kurs NRW“.
Die
Botschaften von „Crash Kurs NRW“ sind:
- Die „Killer“ im Straßenverkehr werden
beim Namen genannt.
- „Crash
Kurs NRW“ ist in Deutschland einzigartig und sicherlich bald richtungweisend.
- Es handelt sich um ein Projekt, bei dem nicht nur die
Polizei, sondern Feuerwehr, Rettungsdienste, Schulen und andere Beteiligte zusammen
mit dieser gemeinsam agieren.
- Die Veranstaltung wirkt emotional und macht betroffen.
Jeder Teilnehmer ist gefesselt und wird mitgenommen.
- Das Projekt arbeitet mit Erfahrungsberichten von
Betroffenen und soll den Jugendlichen deutlich machen, dass sie verletzlich und
sterblich sind.
- Hier werden die Menschen hinter der „Rettungskette“ gezeigt
und dadurch wird denen, die auf irgendeine Art helfen, ein Gesicht gegeben.
- „Crash
Kurs NRW“ soll das Bewusstsein schärfen und dadurch das Verhalten der jungen
Menschen im Straßenverkehr verändern.
Die Akteure
Die Akteure erzählen von Unfällen aus der Umgebung,
die sie aus eigenem Erleben kennen. Die Aufmerksamkeit der Schüler für das
Thema wird durch ein Foto oder eine kurze Videosequenz erreicht. Dann treten
die Akteure auf. Für alle an der Rettungskette Beteiligten gilt grundsätzlich,
dass sie in Berufskleidung auftreten. Der Spannungsbogen muss von Akteur zu
Akteur erreicht werden. Ein Moderator der Bühnenpräsentation ist hier sehr
hilfreich, er darf sich aber nicht in den Vordergrund spielen.
Verkehrssicherheitsberater der Polizei sind es gewöhnt, mit Schülern zu
arbeiten und Dinge vor größeren Gruppen zu präsentieren. Sie haben ein Gefühl
für die Stimmung im Publikum und können Veranstaltungen organisieren. Im Rahmen
des Konzeptes „Crash Kurs NRW“ ist es wichtig, sich mit der Präsenz vor dem
Publikum zurück zu nehmen, um den anderen Akteuren (Notärzte, Feuerwehr,
Familienangehörige, Seelsorger) genug Raum zur Entfaltung ihrer Rollen zu
geben. Gemeinschaftlich muss demonstriert werden, dass jeder Mitwirkende seinen
eigenen Zugang zum Problem hat und seine eigene Geschichte erzählt.
Die
Beteiligten des Teams:
Der Moderator
Wie
schon erwähnt, ist die Polizei wesentlich an der Organisation von „Crash Kurs
NRW“ beteiligt. Die Schüler erwarten also zunächst eine „Polizeiveranstaltung“,
wahrscheinlich also belehrende Worte und drohend erhobene Zeigefinger. Diese
Annahme der Schüler soll sich im Rahmen einer gut geplanten Veranstaltung auf
keinen Fall erfüllen.
Die
durch den Moderator an die Schüler gerichteten einführenden Worte können z. B. sein:
- Ihr fangt jetzt bald damit an, Auto
zu fahren.
- Wir
wissen, dass etwa zehn von Euch oder Euren Freunden und Bekannten in den
kommenden sieben Jahren in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt sein
werden.
- Einer oder zwei von Euch werden –
statistisch betrachtet - sogar sterben!
- Wir sind jetzt hier, um
mit Euch zu sprechen, weil wir das verhindern wollen.
Der Ersthelfer
Der Ersthelfer, für den der Verkehrsunfall ja
plötzlich und unerwartet passiert ist, kann sehr tief sitzende Eindrücke
schildern. Er schildert den Verkehrsunfall so, wie er ihn erlebt hat, ob als
Zeuge oder weil er als Erster an der Unfallstelle war. Die Aussage, dass er
diesen Unfall nie vergessen wird und ihn deshalb immer noch belastet, reicht hier
schon als beeindruckende als Botschaft an die Schüler aus.
Der Feuerwehrmann
Der
Feuerwehrmann ist nach den bisherigen Erfahrungen eine besonders intensiv
empfundene Figur, von der die Schüler eine klare, wenn auch nicht immer
zutreffende Vorstellung haben. Mit ihm verbinden die jungen Leute die
Vorstellung einer klassischen Heldenfigur, dem die Brände und Gefahren eines
Unfallortes nichts anhaben können, und mit dessen Eintreffen am Unfallort die
wesentlichen Probleme gelöst werden. Der Feuerwehrmann muss an einer bedeutsamen
Position im Spannungsbogen eingesetzt werden, z. B. zu Beginn der Veranstaltung
oder im Mittelteil. Dies entspricht auch seiner Position in der Rettungskette.
Seine Botschaften sind:
- Ich kann nicht alles, meine Macht ist
endlich.
- Wenn
ich meine Arbeit getan habe, müsst Ihr alleine mit Eurem neuen Leben
klarkommen.
- Verwendet die
Sicherheitssysteme des Autos - Gurtet Euch an.
Der Notarzt
Der
Notarzt soll sachlich berichten und kann mit ungeschönten Bildern darstellen,
dass die Gesundung nach einem Unfall sehr langwierig sein kann, und dass häufig
bleibende Behinderungen das weitere Leben einschränken. Er kann transportieren,
dass die Zeit nach einem Unfall angefüllt ist mit unangenehmen, aber
notwendigen Eingriffen. Es reicht oft schon aus, wenn Maßnahmen dargestellt
werden, die zur Stabilisierung eines Unfallopfers erforderlich sind:
Intubierung, Lungendrainage etc. Aussagen wie: „Ich habe ihm Sauerstoff
gegeben, ihn beatmet und eine Herzdruck-Massage durchgeführt, um den Kreislauf
in Gang zu halten. Ich habe ihm Medikamente, Infusionen gegeben und eine Zeit lang
versucht, ihn wiederzubekommen, bis dann die Nulllinie im EKG erschien“, lassen
die möglicherweise verheerenden Folgen eines Verkehrsunfalls noch eher begreifen.
Der
Notarzt transportiert sehr wichtige Botschaften, und deshalb sollte seine Rolle
von Feuerwehr, Polizei und Opferschutz eingerahmt sein. Er soll den
Jugendlichen verdeutlichen:
- Ich kann nicht alles, meine Macht ist
endlich.
- Einen Toten habe ich noch nie ins
Leben zurück geholt.
- Für
die Rettung eines Unfallopfers sind oft drastische Eingriffe in den Körper
erforderlich.
- Es dauert lange, bis
die Wunden verheilen, und viele, z. B. Brandwunden, verheilen nie.
Der Polizeibeamte
Der Polizeibeamte schildert z. B. seine Eindrücke und Gefühle, die er
schon auf dem Weg zur Verkehrsunfallstelle hat. Er kann ruhig zugeben, dass es
für ihn schon sehr beruhigend ist, wenn Rettungskräfte schon vor Ort sind. Das
Erleben der Unfallstelle, die oft wie ein Schlachtfeld aussieht und von einer
großen Stille überdeckt wird, ist jedes Mal eine Schilderung, die Bilder im
Kopf der Zuhörer entstehen lässt. Sehr eindrucksvoll ist dabei z. B. die im
polizeilichen Alltag immer wiederkehrende Einsatzsituation eines
Polizeibeamten, der zusammen mit der Todesnachricht persönliche Gegenstände an
die Eltern eines schwer verunfallten jungen Fahrers überbringen musste: „Ich bin
zu der Anschrift hingefahren. Das Handy, das auf meinem Beifahrersitz lag,
schellte. Im Display leuchtete das Wort „Mama“ auf! Diese Geschichte geht mir
nie mehr aus dem Kopf“!
Der Rettungsassistent
Der Rettungsassistent schildert z. B. seine
Gedanken vom Zeitpunkt der Einsatzvergabe und über berichtet über die Absprachen
mit dem Kollegen, wenn die Unfallstelle erreicht ist.
Das Unfallopfer
Ein Unfallopfer zu gewinnen, das zum Zeitpunkt des
Unfalls genau so alt war wie die Zuhörer bei der Veranstaltung sind, ist
sicherlich schwierig, aber im Erfolgsfalle auch besonders nachhaltig. Ihm wird
häufig manchmal Mitleid entgegen gebracht, aber es werden auch Schuldvorwürfe
erhoben: „Selbst Schuld“ oder „Wie kann man nur so blöd sein“! Sollten diese
Zurufe erfolgen, dann ist wird es bestimmt die letzte Veranstaltung des
Unfallopfers sein. Es besteht hier also die Gefahr, dass ein Opfer nachträglich
zum Täter gemacht wird, so dass dies eine besonders sensible Stelle ist, die
entsprechend begleitet werden muss.
Die Familienangehörigen
Es
gibt Familienangehörige, denen es ein Bedürfnis ist, über einen Unfall und
dessen langfristigen Folgen aus der Sicht eines betroffenen Verwandten zu
berichten. Wenn Feuerwehr und Notarzt ihre Arbeit getan haben, beginnt das
eigentliche Leiden. Ein wichtiger Mensch fehlt plötzlich, oder er ist so schwer
verletzt, dass er für lange Zeit sein Leben nicht ohne Hilfe führen kann.
Lebensträume sind zerstört. Man trifft nicht nur sich selbst mit einem Unfall,
sondern ganz besonders auch seine Eltern:
- Für
sie vergeht kein Tag, ohne an den Sohn oder die Tochter zu denken bzw. ihm/ihr
helfen zu müssen.
- Wenn sie die Freunde
der Kinder sehen, müssen sie immer an ihr eigenes Kind denken.
Es ist sicherlich nicht leicht, einen Familienangehörigen zu finden, der
die möglicherweise einigermaßen bewältigte Trauer über das Verlorene wieder
aufwecken will und dazu noch bereit ist, öffentlich darüber zu sprechen. Das
kann nur auf freiwilliger Basis geschehen. Für manche kann es aber auch ein
geeigneter Weg zur Verarbeitung eines Traumas darstellen, gerade wenn sie sich
mit dem Ziel des „Crash Kurs NRW“ identifizieren können. Für sie muss deshalb
innerhalb des „Crash Kurs NRW“-Teams ein besonders vertrauensvolles Verhältnis
vorhanden sein.
Der Verkehrsunfallsachbearbeiter
der Polizei
Der Verkehrsunfallsachbearbeiter wird tagtäglich mit Unfällen leichter
und schwerer Art konfrontiert. Zwar muss und sollte er diese Vorfälle mit der
nötigen Distanz bearbeiten, aber manche Sachverhalte werden ihn auch emotional
berühren. Wenn er z. B. den Unfall eines jungen Menschen bearbeitet und er
selbst ein Kind in diesem Alter hat, dann kann er seine Empfindungen bei der
Bearbeitung des Unfalls, den Schülern nachvollziehbar schildern.
Der
Opferschutzbeauftragte
Der mittlerweile in allen Behörden eingesetzte Opferschutzbeauftragte
für Verkehrsunfallopfer kann ein weiterer Akteur aus den Reihen der Polizei sein.
Er stellt seine Arbeit vor und beschreibt unter anderem die unterschiedlichen
Reaktionen der Augenzeugen, Ersthelfer oder der Angehörigen nach einem schweren
Verkehrsunfall.
Der Physiotherapeut
Der Physiotherapeut arbeitet unter Umständen mit
den , d.h. erheilt Verkehrsunfallopfern und ist im Idealfall sogar in der Lage,
ihre körperlichen Probleme zu lindern oder gar zu heilen. Dabei begleitet er sie
über Wochen, Monate oder sogar Jahre hinweg. Er kennt die unterschiedlichsten
Leidenswege und Schicksale und kann sie schildern, da zu ihm häufig ein
persönlicher Kontakt aufgebaut wird. Wenn hier ein Leidensweg beschrieben wird,
dann ist die Unfallursache mitunter zweitrangig.
Der Notfallseelsorger
Der
Notfallseelsorger bleibt oft noch für lange Zeit Ansprechpartner für die
Betroffenen. Er verkörpert eine Rolle, die sich sehr gut dazu eignet, den
Faktor der sozialen Verantwortung zu beleuchten. Die zentralen Botschaften aus
seinem Mund werden möglicherweise zunächst von dem einen oder anderen Schüler
belächelt; in Verbindung mit den Beiträgen von Feuerwehrleuten, Polizisten und
Medizinern zeigt sich aber, wie wichtig es ist, dass die Insassen eines Autos
aufeinander Acht geben. Der Notfallseelsorger sollte als letzter Akteur der
Bühnenpräsentation auftreten, also dann, wenn die schon mehrfach angesprochene
„Rettungskette“ die Bühne verlassen hat. Es passt zu den Aussagen eines
Notfallseelsorgers, wenn er die Hilfe für den Nächsten anspricht:
- Achtet auf Euch, und achtet auf Eure
Freunde und Mitfahrer.
- Achtet darauf, dass jeder
angeschnallt ist.
- Achtet darauf, dass der Fahrer sich
auf das Fahren konzentrieren kann.
- Achtet darauf, dass die Fahrer keinen
Alkohol trinken.
- Setzt niemanden unter
Druck, der nicht fahren kann oder will.
Anmerkungen zu den
Aussagen
Es
müssen also nicht unbedingt die schweren, besonders spektakulären und in der
Presse genannten Unfälle sein, die den Schülern geschildert werden.
Weitere
mögliche Mitwirkende können dazukommen, andere auch wieder entfallen, aber die
Akteure der Rettungskette werden auch in Zukunft das Kern-Team von „Crash Kurs
NRW“ sein.
Nicht
jedes Teammitglied muss in seiner Geschichte immer wieder die gleichen Botschaften
an die Schüler richten. Bei unterschiedlichen Vorfällen kann es auch
unterschiedliche Ursachen geben und genau die sind es, die letztlich als Botschaft
an die Zielgruppe transportiert werden soll.
Die
Schüler sollen darüber hinaus erkennen, dass die Akteure oft unterschiedlich
lange mit den Unfallopfern und deren Angehörigen zu tun haben. Der
Polizeibeamte der den Unfall aufnimmt, hat das Unfallopfer mitunter noch nicht
einmal gesehen, weil es ja schon mit dem Rettungswagen auf dem Weg ins
Krankenhaus war.
Unbedingt verhindert werden sollte falsche bzw.
gespielte Betroffenheit.
Erwartungen an die
Schülerinnen und Schülern
Die
Schüler sollen in der Lage sein, Handlungsalternativen zur Vermeidung von
Verkehrsunfällen zu entwickeln.
Sie
sollen erkennen, dass Sicherheit im Straßenverkehr jeden angeht. Statt
Polizisten als Drohfiguren zu erleben, sollen Sie eine Ordnungspartnerschaft
und die Zusammenarbeit mit der Polizei suchen.
Sie
sollen lernen, die Gefahren als Fahrzeugführer bzw. Beifahrer richtig einzuschätzen
und dieses Wissen nutzen.
Sie
sollen in die Lage versetzt werden, Unfälle sachlich zu analysieren.
Sie
sollen in die Lage versetzt werden, Statistiken richtig zu interpretieren. Dazu
müssen diese allerdings zunächst in eine für Schüler verständliche Form
umgesetzt werden. Das könnte eine Karte der Region sein, in der die tödlichen
Unfälle der letzten Jahre durch Kreuze markiert sind.
Sie
sollen die altersspezifischen Unfallgefahren erkennen und aus Fehlern anderer
lernen.
Ihnen
muss klar werden, dass die Regeln der Physik kann auch durch den besten Fahrer
nicht ausgehebelt werden können, dass die Kräfte beim Aufprall sich also ohne
Gurt nicht mit den Armen abfangen lassen und zehn Stundenkilometer zu schnell eine
ungeahnt hohe Wirkung haben.
Sie
sollen lernen, auf ein wahrgenommenes Risikoverhalten anderer angemessen zu reagieren.
Sie
wissen, dass sie mit einem klaren und selbstbewussten Verhalten auf die
Korrektur von Fehlverhalten drängen müssen.
Sie
wissen, dass Gruppendruck keine Ausrede ist, weil man für seine Handlungen als
Autofahrer allein in der Verantwortung steht.
Die Schüler kennen die wesentlichen Unfallfaktoren Geschwindigkeit,
Alkohol/Drogen, Telefonieren/Ablenkung und Gurtanschnallpflicht.
So kann Crash Kurs NRW
wirken
Wenn
„Crash Kurs NRW“ wirkt – und da sind alle Beteiligten sehr zuversichtlich -, wird
sich dies nach einer längeren Zeitspanne seiner Durchführung sicherlich in Form
von sinkenden Unfallzahlen in den Statistiken niederschlagen.
Lehrer
haben berichtet, dass noch Tage später über den das Projekt diskutiert wurde,
und das bedeutet, dass die Maßnahme offenbar berührt.
Die
Nachhaltigkeit kann nur durch eine Nachbereitung der Schulen gesichert werden.
In
Zusammenarbeit mit der Polizei kann eine Analyse von Verkehrsunfällen aus der
Region erfolgen, denn die Polizei hat Zugang zu den Unfallstatistiken und den
Unfallanzeigen.
Das
Computerprogramm „Mechanik und Verkehr“, eine Art „Fahrsimulator“, kann z. B.
im Physikunterricht von den Lehrern eingesetzt werden.
Die
Schüler können eine Darstellung entwickeln, die die hohe Unfallgefährdung Ihrer
Altersgruppe und die damit verbundenen Hauptunfallursachen darstellt. Sie
entwickeln eine zielgruppengerechte Ansprache durch Poster, Collagen, Ausstellungen,
Theaterstücke, Amateurvideos o. ä. und demonstrieren damit, dass sie sich für
die Sicherheit ihrer Mitschüler einsetzen.
Ein
wichtiges Element der Nachbereitung ist auch das Rollenspiel. Die Schüler
sollen einige Tage nach der Bühnenpräsentation wieder zur Auseinandersetzung
mit dem Thema gebracht werden. Sie versetzten sich in die Situation eines
drohenden Unfalls, beschreiben sie mit eigenen Begriffen und suchen aktiv nach
Alternativen.
Mehr
Personal für die Umsetzung von „Crash Kurs NRW“ wird allerdings erforderlich
sein, damit die anderen Zielgruppen, z. B. Kinder, nicht vernachlässigt werden, sonst wird ein
schönes „Verkehrssicherheits-Haus“ auf einem brüchigen Fundament gebaut.
Ausblick
Wie „Crash Kurs NRW“ organisiert wird und welche
Lösungsmöglichkeiten es gibt, Schwierigkeiten zu beseitigen, soll in der
nächsten Ausgabe von POLIZEIinfo-report beschrieben werden.
Quellen
http://www.polizei-nrw.de/artikel__157.html
http://www.crashkurs-nrw.uni-koeln.de/